Grußwort Orgelbauer Björn-Daniel Reich
Eine neue Orgel für die Neuapostolische Kirche zu Marl-Brassert
Wirklich eine neue Orgel?
Für die Gemeinde ist es eine neue Orgel, deren Kern aus einer Roethinger-Orgel aus dem Jahre 1968 besteht. Diese stand bis Februar 2008 im Treppenhaus eines kath. Internats in Walbourg (Elsass). Das Treppenhaus entstand direkt vor der Orgel - etwa Ende der achtziger Jahre - als in die Kapelle des Internats eine Zwischendecke eingezogen wurde, weil diese nicht mehr zu liturgischen Zwecken gebraucht wurde. Im Jahre 2007 entschied sich das Internat die Orgel zu verkaufen.
Nach der überregionalen Ausschreibung der Orgelüberarbeitung in Brassert stellte sich heraus, dass die Kosten für die Erhaltung und den Umbau der zehnregistrigen Mendel-Orgel zu hoch sein würden.
Die Sachverständigenkommission der Kirchenverwaltung in Dortmund entschied sich also für einen anderen Weg: es wurde das qualitativ hochwertige, gebrauchte Instrument bei Andreas Ladach in Wuppertal gekauft. Die Firma TastenReich-Orgelbau aus Köln bekam den Auftrag die Orgel in den, für das Instrument neuen Raum einzubauen. Bedingung war, das Untergehäuse der Mendel-Orgel auf der rechten Kirchenseite zu erhalten und die Orgel dort einzupassen.
In diesem Untergehäuse standen bis dahin fünfeinhalb Register. Nun sollten es 17 sein.
Keine leichte Aufgabe. Zumal auch noch die Disposition der Orgel an die Bedürfnisse der Liturgie der neuapostolischen Kirche angepasst wurde.Mit 17 Registern ist die Orgel in Marl-Brassert üppig disponiert. Diese Tatsache ließ die Entscheidung fallen, die Trompette 8´ aus dem Grand-Orgue nicht zu übernehmen, da sie viel zu laut für die Raumgröße gewesen wäre. Stattdessen wurde die Cromorne 8´ aus dem Positif auf den Platz der Trompette gestellt. Außerdem ist die hohe Cimbal aus dem Positif fallen gelassen worden, um einen achtfuß Streicher in die Disposition aufnehmen zu können. Dieser bedient eher die Bedürfnisse der Liturgie. Auf dem freigewordenen Stock der Cromorne steht jetzt eine Flûte à cheminée 4’ (Rohrflöte). Nun hat die Orgel an Farbigkeit gewonnen, ohne spitz und laut zu sein. Die Kraft der Orgel soll aus den Grundstimmen kommen, so war auch der Wunsch der Sachverständigen Gerhard Milewski und Wolf-Rüdiger Spieler. Deshalb sind die Aliquotregister und die Mixtur auch nicht auf Kraft, sondern auf Farbigkeit intoniert worden. So ergibt sich nun die Möglichkeit, auch vor dem Gottesdienst, abwechslungs- und farbenreich spielen zu können, ohne dass es zu laut wird. Trotzdem ist die Orgel im Tutti keineswegs zurückhaltend. Ganz im Gegenteil, sie strahlt in prächtiger Kraft.
Der alte Spieltisch der Roethinger-Orgel wurde nicht übernommen, da die Restaurierungskosten im Verhältnis zum Ergebnis zu hoch gewesen wären. Deshalb beinhaltete der Auftrag der Kirchenverwaltung den Bau eines neuen, modernen Spieltisches, der ganz individuell auf Raum und Instrument abgestimmt ist.
Dieser wurde in den Werkstätten von Andreas Seul zusammen mit Björn-Daniel Reich entworfen und gebaut. Die Orgelbauer durften von Seiten der Sachverständigen ihrer Kreativität freien Lauf lassen, wofür diesen an dieser Stelle herzlich gedankt sei, da es für uns die Arbeit noch schöner machte!
Der Spieltisch nimmt Elemente der Kirchenarchitektur und Farbgebung der Orgel auf. So findet sich die Fensterform angedeutet an den Registermanubrien wieder. Der rote Kupferprospekt wird im Rot des Korallenholzes am Spieltisch reflektiert. Außerdem hat der neue Spieltisch ne-ben seinem schlanken und filigranen, durch abgerundete Kanten weicherwirkendem Design, etliche technische Feinheiten zu bieten. Die moderne Computertechnik macht es möglich auch für kleine Orgeln eine Setzeranlage, zur Speicherung von unterschiedlichen Registrierungen, mit 8.000 Plätzen bereit zu stellen.
Über vier Pistons lassen sich darüber hinaus auch noch feste Kombinationen (piano, mezzoforte, forte und tutti) betätigen. Damit nicht genug, findet sich doch an diesem Spieltisch die erste Notenbeleuchtung mit LED-Technik!
Neben dem Spieltisch wurde noch die restliche elektrische Anlage erneuert (Windmaschine mit Motorkasten, Schleifenzugmagneten, Verkabelung). Auch die Windanlage wurde an die neuen Gegebenheiten angepasst.
Natürlich musste ebenso der Prospekt geändert und an die vorgegebenen Bedingungen angepasst werden. Daraus ergab sich auch die Möglichkeit Schleierbretter für die Orgel zu bauen. Zwischen den Kupferpfeifen des Montre und den Zinnpfeifen des Principal italien im Prospekt wurde das raumbeherrschende Stilelement der Parabel aufgenommen und mit einer von hinten beleuchteten Glasscheibe in der Orgel verarbeitet. Da das Fenster hinter dem Altar bunt ist, bot es sich an, die Beleuchtung in der Orgel auch mit langsam wechselnden Farben zu gestalten. Es entsteht ein meditativer Effekt.
Herzlich gedankt sei neben den Sachverständigen Gerhard Milewski und Wolf-Rüdiger Spieler auch den Mitgliedern der Gemeinde, allen voran Werner Tappe und Frank Arnold sowie Gemeindevorsteher Detlef Kwasny für die gute und freundliche Zusammenarbeit und Hilfsbereitschaft. Ferner möchte ich an dieser Stelle auch Andreas Ladach und besonders Andreas Seul für die reibungslose und wirklich freudebringende Zusammenarbeit danken.
Es darf aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass ein Organist, der sich so freuen kann wie Stephan Arnold, die Arbeit des Orgelbauers nur beflügelt! Bleibt dem Orgelbauer nun nur noch zu hoffen, dass seine Arbeit immer Organisten findet, welche die Freude, die in diesem Instrument steckt, demselben auch entlocken.
Dies alles zur Erbauung der Gemeinde und vor allem zur Ehre Gottes!
Björn-Daniel Reich
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