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Die Orgel in St. Marien Jena-Ziegenhain

Orgelrestauration
Orgelsteckbrief
Disposition
Umfeld und inhaltliche Zielstellung
Orgelbericht

Die Marienkirche Ziegenain

Orgelrestauration

Die Gerhard-Orgel der Ziegenhainer Marienkirche hat über 15 Jahre unter Planen und Bauschutt verborgen geschwiegen, bis sich eine kleine Gruppe kulturell engagierter Bürger unterschiedlicher Konfessionen und weltanschaulicher Bindung unter Leitung von Dr. Weißenburger in der Vakanzzeit bemüht hat, diese bemerkenswerte und denkmalsschutzwürdige Orgel sukzessive wieder in den originalen, bespielbaren Zustand zu versetzen, um sie zum Mittelpunkt des kulturellen Lebens im stadtnahen Peripheriegebiet gemeinsam mit den regionalen Kulturträgern zu entwickeln.

Das Ziel bestand darin, wieder ein beispielhaftes Instrument in Gerhardscher Bauweise zu erhalten als wichtiges Kleinod für die Gemeinde, sowie alle Bewohner und Freunde des Ziegenhainer Tales. Dazu wurde der Thüringer Orgelbaumeister Th. Wolf, Greiz, der über reiche Gerhard-Erfahrung verfügt, mit der Restaurierung beauftragt.

Am 11. Sonntag n. Trinitatis, 26. August 2001, feierte eine große Gemeinde die Orgelweihe, die Sup. D. Kamm vornahm, LKMD Eike Reuter ließ die Orgel in ihrer ganzen Fülle erklingen.

Viele bekannte Organisten äußerten sich begeistert über die Klangfülle dieses kleinen Instrumentes. So schrieb Matthias Eisenberg ins Orgelbüchlein:
Es war ein großes Erlebnis Ihre wunderschöne Orgel spielen und hören zu dürfen. Dieses Instrument ist in seiner Art einmalig und überaus klangschön. Großes Lob für Ihre einfühlsame Restauration. Matthias Eisenberg im August 2005


Orgelsteckbrief

Die Orgel wurde 1764 geweiht und ist erbaut worden von J. E. Gerhard (1710-1786) aus Lindig bei Kahla.
Gerhard-Orgeln mit ihrem hellen, frischen Klang sind sehr solide, aus guten Materialien gearbeitete Instrumente, die seit etwa 1735 im Thüringer und sächsischen Raum nachweisbar sind. In Jena gibt es keine vergleichbare Orgel bez. Größe, Disposition und Entstehungszeit.

Durch Korrosion, Verschleiß, Verschmutzung und dem Zeitgeschmack der Vergangenheit folgende Umbauten ist das Instrument in der in den endachtziger Jahren mit viel körperlichem und finanziellem Aufwand liebevoll restaurierten Kirche unbespielbar geworden. Zu den nicht originalen Umbauten gehörten Trakturführung, Tieferlegung des Klanges durch Pfeifenkürzung (von 466 auf 490 Hz), Ersatz der Zinnpfeifen des Prospektes im 1. Weltkrieg durch inzwischen marode Zinkpfeifen. Genauere Untersuchungen während der Restaurierung förderten Pfeifen aus der Frühzeit des gerhardschen Orgelbaus zutage. Somit wurde einst nach Ziegenhain ein viel älteres Instrument umgesetzt und erweitert. Die neuere Manualklaviatur, die ausgedient hat, muss durch eine entsprechende der Gerhard-Zeit nachempfunden werden. Durch die Höhersetzung der Stimmhöhe entsprechend der denkmalspflegerischen Auflagen ist - um die Orgel als Begleitung anderer Instrumente einsetzen zu können - ein Transponiermanual erforderlich.

In den vergangenen Jahren sind durch engagierte Bürger gewaltige Leistungen erbracht worden, um den jetzigen Stand zu erreichen, der gleichzeitig die kulturellen Aktivitäten im Ziegenhainer Tal, wie Hausmusiken, Schülerkonzerte, musikalisch-meditativen Reihen, belebt.


Disposition

Manual C, D - c³ Pedal C, D - c¹
1. Octava 2´ 8. Subbaß 16´
2. Mixtur 3fach 1´ 9. Octavenbaß 8´
3. Octava 1´
4. Quinta 3´
5. Flöte 4´
6. Gedackt 8´
7. Octave 4´
Tremulant

Stimmtonhöhe: 464 Hz bei 15°C
Temperierung: Silbermann Sorge (gemildert mitteltönig)


Umfeld und inhaltliche Zielstellung

Die Orgel erklingt einmal bei den regelmäßigen kirchlichen Veranstaltungen, die im wesentlichen von ehrenamtlichen Kräften unterschiedlicher Konfessionen getragen werden, bildet aber auch andererseits einen kulturellen Treffpunkt der Bürger unterschiedlicher weltanschaulicher Prägung am Rande einer großen Stadt. Die alte Wallfahrtskirche liegt malerisch im Ziegenhainer Tal. Der romantische Marienkirchhof mit seinen unvollendet gebliebenen gotischen Bögen bildet gute Voraussetzungen für Freiluftveranstaltungen und Ausstellungen. So ist Kirchgebäude und Umfeld zum wichtigen Bestandteil der Stadtteilkulturarbeit in guter, partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den einzelnen Kulturträgern wie Ortsverein, Singekreis, Fuchsturmgesellschaft 1861, Freundeskreis und Kirchgemeinde geworden.

Mit den "Ziegenhainer Abendmusiken" in Form musikalischer Andachten haben wir in den Jahren der Vakanzzeit eine beliebte musikalisch-meditative Reihe aufgebaut, die immer mehr Menschen im Sommerhalbjahr aus Stadt und Umgebung anzieht. Sie wird von Laien- und Berufskünstlern mit hohem Engagement gestaltet. Regelmäßig erhält hier der 'Singekreis Ziegenhainer Tal', eine sehr leistungsfähige und mehrfach ausgezeichnete Chorvereinigung, Auftrittsmöglichkeiten. Dr. G. Weißenburger versucht mit seiner liturgischen Moderation und ausgewählten Texten seit über 10 Jahren zur Besinnung einzuladen.

Im Rahmen der Reihe "Der schöne Ort" fanden als Beitrag zum Kulturstadtjahr 1999 erstmals Veranstaltungen statt, die weitergeführt werden. Die Reihe "Ziegenhainer Advent " bringt ca. 1000 Besucher alljährlich im Dezember nach Ziegenhain.

Kirchgangsgottesdienste beginnend an der 10 Minuten entfernt gelegenen Busendstelle nehmen den alten Wallfahrtsgedanken in unsere Zeit übersetzt wieder auf. Mit thematischen Gottesdiensten erreichen wir immer mehr Menschen, die bisher wenig Kontakt zur Kirche hielten, z. B. "Kirchenjahr bewusst erleben", Sondergottesdienste zu Epiphanias, Palmsonntag, Johanni, Bußtag, Tag des Denkmals).


Auszug aus dem Orgelbericht

Die einmanualige Orgel in der Marienkirche zu Ziegenhain bei Jena wurde am Kantate-Sonntag des Jahres 1764 geweiht. Orgelbaumeister ist Justinus Ehrenfried Gerhard (1710-1786) aus Lindig bei Kahla gewesen. Er war der Gründer einer über 3 Generationen beste-henden Orgelbaufirma, die vor allem im ostthüringischen und nordsächsischen Raum tätig war und seit 1735 nachweisbar ist. Gerhard-Orgeln mit ihrem hellen, frischen Klang sind sehr solide aus guten Materialien gefertigte Instrumente. Im Raum Jena gibt es keine vergleichbare Orgel bezüglich Größe (oder Kleinheit?), Disposition und Entstehungszeit.

Durch Korrosion, Verschleiß, Verschmutzung und jeweils dem Zeitgeschmack der Vergangenheit erfolgte Umbauten (nicht immer zum Vorteil des Instrumentes) sowie kriegsbedingte Abgaben zweier Weltkriege ist die Orgel in unserer mit viel Liebe und hohem körperlichen und finanziellen Einsatz liebevoll restaurierte Marienkirche unbrauchbar geworden. Seit anderthalb Jahrzehnten schwieg sie.

In der über zweijährigen Vakanzzeit hat sich mit großem Engagement eine kleine Gruppe um Dr. G. Weißenburger, Lektor von Ziegenhain, bemüht, die Restaurierung mit dem Ziel, den gerhardschen Originalzustand wieder herzustellen, voranzutreiben. Dabei stellte sich überraschender Weise heraus, dass J. E. Gerhard ein älteres Instrument nach Ziegenhain umgesetzt und erweitert hat, denn wir fanden Pfeifen aus der Frühzeit des gerhardschen Orgelbaus ~1739.Wir konnten dies aus alten Unterlagen bestätigen, aus denen hervorging, dass die Gemeinde Ziegenhain 1763 eine Orgel gekauft hat.

Mit Orgelbaumeister Thomas Wolf (fr. Greiz, heute Limbach/Vgtl.) konnte ein auf Gerhard-Orgeln spezialisierter heimischer Orgelbaubetrieb gefunden werden, der eine hervorragende Arbeit leistete. Nach genauer Analyse erwies sich der Zustand schlechter als vermutet. Die Windlade war völlig marode. Das Pfeifenwerk wies ein buntes Gemisch verschiedener Zeitepochen neben gutem altem Pfeifenbestand auf. Mit dem Einbau einer Gambe 8’ ist die Flöte umgestellt und das Octavregister 1’ entfernt worden. Die Octave 4’ ist zum Cornett erweitert worden. Um die Jahrhundertwende erfolgte der Austausch der Quinte durch ein Geigenprincipal. Die Zinn-Prospektpfeifen mussten im 1. Weltkrieg abgeliefert werden. 1924 sind sie durch Zink ersetzt worden, dabei wurden die Schleierbretter des Gehäuses radikal gekürzt. Nach 75 Jahren zerfielen diese allmählich. Die Originalstimmhöhe von 466 Hz ist auf 490 HZ dem Zeitgeschmack entsprechend verändert worden. Um der denkmalspflegerischen Forderung und dem optimalen Werksaufbau Genüge zu leisten, mussten über 160 Pfeifen angelängt werden. Unvollständige Register und unbrauchbare Pfeifen waren zu rekonstruieren. Dabei ist besonders darauf geachtet worden, dass diese von gleicher Materialart und analoger Bauweise wie ursprünglich gefertigt wurden. Die vom Holzwurm befallenen Pfeifen sind umweltverträglich imprägniert worden. Angepasst an die originalen Hölzer sind Ahorn, Kiefer, Linde und Fichte verwendet worden. Die Registertraktur ist in Einzelteile zerlegt und gründlich aufgearbeitet worden. Dabei sind die Manubrien nach originalem Vorbild neu gefertigt worden.

Die Pedalklaviatur ist in den originalen Tonumfang (C, D-c1) zurückgesetzt und neu garniert worden. Ausgespielte Untertasten sind mit neuen Aufleimern in der gleichen Materialart und Form versehen worden. Obertasten mussten neu hergestellt werden. Dabei ist eine belegbare Gerhardsche Tastenform zugrunde gelegt worden. Hier ist traditionell Kiefernholz benutzt worden.

Nach gründlicher Intonation und Stimmung erklangen am Pfingstsonntag 1999 erstmalig die Register Principal 2', Flöte 4' (von zauberhaftem Klang), Gedackt 8', Subbass 16'.

Die Manualklaviatur ist nach dem Vorbild von Mennewitz rekonstruiert worden und ein besonderes Schmuckstück unserer Orgel, über das wir uns -trotz des stark verzögerten und immer wieder beim Manualbauer angemahnten Liefertermins- sehr freuen. Allerdings mussten die Abstrakten zum Wellenbrett erneuert werden, da die Maße zur ausgedienten Klaviatur zu stark differierten.

In der Folgezeit sind dann Octave 4', Quinte 1 1/3 , Octave 1', Octavbass 8', Mixtur 2-3f. 1' (sehr kräftig) eingebaut worden. Als Besonderheit fügten wir noch einen Tremulanten ein. Durch die Rückführung auf die Originalstimmhöhe ist der Einsatz als Begleitinstrument in einer Dorfkirche manchmal problematisch. Daher ließen wir als seltene Besonderheit ein Transponiermanual anfertigen, das leicht auf das Manual aufgesetzt werden kann.

Jede Ausbaustufe ist der Gemeinde zu Gehör gebracht worden in den Reihen Musik von der Orgelbaustelle sowie Ziegenhainer Abendmusik, einer beliebten Konzertreihe, die aus dem Jenaer Kulturleben nicht mehr wegzudenken ist. Auf diese Weise konnten die Meinungen der verschiedenen Organisten in den Restaurierungsprozess einfließen.

Dr. sc. G. Weißenburger

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Die Marienkirche Ziegenhain

Am Rande einer großen Stadt liegt unterhalb des Fuchsturmes die alte Wallfahrts- und Wehrkirche zu Ziegenhain im schönen Ziegenhainer Tal. Die alte Marienkirche ist bis heute unvollendet geblieben. Im geplanten hohe Chor befindet sich jetzt die heutige Dorfkirche. Die Außenmauern des Querschiffes und der Wehrturm bilden ein romantisches Atrium, das sich in der Sommerzeit besonders gut für Soireen und Chorkonzerte eignet.

Im letzten Jahrzehnt hat sich die Marienkirche zu einem beliebten Ort der Besinnung und Einkehr mit kulturellen Schwerpunkten am Rande des pulsierenden Jenas entwickelt. Eine lebendige christliche Gemeinde fehlt um die Kirche herum, aber gern kommen Menschen auf den alten Wallfahrtspfaden hinaus. Als Trau- und Taufkirche ist sie schon lange ein Geheimtipp. Eine kleine Gruppe bemüht sich das Flair der Marienkirche umzusetzen und den Altar "warm" zu halten. Der Schwung von der Restaurierung der Gerhard-Orgel wurde versucht aufrecht zu erhalten und mit den Ziegenhainer Abendmusiken, musikalischen Andachten und erlebnisbetonten Gottesdiensten traditioneller liturgischer Form mit Gottes Hilfe der Kirche neues Leben für Kirchennahe und Kirchenferne ökumenisch einzuhauchen. Noch vor 20 Jahren fanden nur gelegentlich hier Gottesdienste statt. Inzwischen sind allsonntäglich am Spätnachmittag die Kirchentüren für Gottesdienste und musikalische Andachten geöffnet.

Wanderer und Spaziergänger schauen gern herein und nehmen in den Kirchbänken Platz. Aus den verschiedenen Stadtteilen Jenas pilgern vor allem auch ältere Menschen nach Ziegenhain. Die Besucherzahlen sind sehr unterschiedlich. Je nach Programm und Wetterlage ist der Kreis manchmal sehr klein, was uns nicht entmutigt, oder man drängt sich bis zur Empore. In diesem Jahr stand immer wieder der Wallfahrtsgedanke im Mittelpunkt.

Der Kirchenbesucher wandert aus der Enge der Stadt heraus durch die grünende Natur, um im kühlen Kirchenraum Ruhe und Besinnung zu finden. Das weitet die Seele. Traditionell um den Sonntag Rogate herum finden meist die Kirchgangsgottesdienste statt, die an dem Wallfahrtsgedanken unmittelbar anknüpfen. Die Kirchenbesucher treffen sich an der Busendstelle Ziegenhainer Tal und nach Gebet und Lied "pilgert" man gemeinsam zur Kirche. An verschiedenen Punkten begrüßen Posaunen oder andere Instrumente, finden Lesungen statt. Von dem gemeinsam Erlebten erfüllt, betritt man die Kirche, wo der Gottesdienst fortgesetzt wird. "Das Kirchejahr bewusst erleben" zählt zu den sehr geschätzten Gottesdienstreihen. Seit vielen Jahren werden in besonderer Form der heute oft in Vergessenheit geratenen kirchlichen Feste gedacht. Dazu gehören u. a. Epiphanias und Lichtmess. Hier fühlen wir uns besonders mit unseren katholischen Brüdern und Schwestern verbunden. Besonders gestaltet wird Lätare, was zu meist den Schlesiern nur noch bekannt ist. Palmarum nehmen wir Abschied von der Winterkirche und ziehen mit Palmwedeln hinter dem Vortragekreuz wieder in die Hauptkirche. In der Predigt wurden dabei in den vergangenen Jahren immer wieder andere Gruppen betrachtet, die Jesus Einzug beobachteten. Das Trinitatisfest eröffnete in diesem Jahr die Konzertsaison. Zur Erinnerung an das Kriegsende und die Zerstörung Dresdens vor 60 Jahren erklang die eindrucksvolle Trauermottete des Kreuzkantors Rudolf Mauersberger nach den Klageliedern.

In den meisten Konzerten steht unsere mit viel Liebe restaurierte Gerhard-Orgel im Mittelpunkt. An ihr spielten u.a. Matthias Grünert, Matthias Eisenberg.

Alle Konzerte begleiten Lesungen und Kurzpredigten. Eine Besonderheit ist in jedem Jahr der Ziegenhainer Advent, der eine hohe Anziehungskraft ausstrahlt. Er beginnt mit einem Chorkonzert des Madrigalkreises und endet mit einem Lichtergottesdienst zum Beginn der Weihnachtswoche. Letzterer wird sehr gern auch von ältern Menschen angenommen, denen Heiligabend die Kirche zu voll ist, oder die über Weihnachten verreist sind. Das sind nur ein paar Splitter vom Ziegenhainer Kirchgeschehen, um das sich eine kleine Gruppe unermüdlich bemüht, um die Kirche für die Stadt und zur Stadt zu öffnen.

Weitere Informationen zur Gemeinde finden Sie auf unserer Webseite (s. rechts unter "weiterführende Links).


Mit freundlicher Genehmigung von Dr. sc. G. Weißenburger
OI-J-1
weiterführende Links:

Webseite Kirche Ziegenhain