Kleine Königin mit großem Klang
Eines der kostbarsten Ausstattungsstücke der ehemaligen Klosterkirche St. Leodegar in Niederehe - und die älteste spielbare Orgel in Rheinland-Pfalz - ist die 1714 erbaute Orgel des berühmten Orgelbaumeisters Balthasar König (1684-1756).
Bereits sein aus der Schweiz stammender Vater war in Bayern "Orgelmacher" - ebenso sein älterer Bruder Kaspar. Dessen Wirkungskreis erstreckte sich über Ober- und Niederbayern, die Oberpfalz und das angrenzende Schwaben. So begab sich Balthasar König - ausgestattet mit den Grundlagen des Orgelmacherhandwerks - auf die Wanderschaft, über die leider nichts bekannt ist. Er ließ sich in Münstereifel nieder und baute 1714 /1715 die Orgel für die Prämonstratenser in Niederehe - die erste König-Orgel in der Eifel - und gleichzeitig auch sein opus eins. Das Werk verfügte ursprünglich über neun Register auf einem Manual mit 49 Tasten sowie über ein angehängtes Pedal von 13 Tasten.
Balthasar König verstand es, die verschiedenen Stilrichtungen zu vereinen. Süddeutsche, französische, rheinische und niederländische Traditionen wusste er geschickt zu einem erstaunlichen Klangreichtum zu verbinden. Vor allem die Terzregister Solcena und Cornet, sowie Trompet und Mixtur geben dem Instrument ihre besondere Note.
Nachdem das Kloster 1803 aufgehoben und die Mönche vertrieben waren, verstummte das kostbare Instrument. Die "Königstochter" sank in einen Dornröschenschlaf. Erst 1868 erweiterte der Orgelbauer Johann Josef Müller aus Niederehe das Instrument um eine selbstständige Pedallade mit drei Registern (Subbaß, Oktavbaß und die alte Manualtrompete). Im Manual fügte er das Register Wienerflöte 8’ hinzu. Bei einem grundlegenden Umbau 1923 wurden von einem Orgelbauer Burkart im Auftrag der Firma Klais viele Originalregister entfernt und die Disposition dem Zeitgeschmack angepaßt. Nach weiteren Eingriffen in den Nachkriegsjahren waren schließlich nur noch die Pfeifen der Register Principal, Superoktav und die Fleute dous original vorhanden.
Die Orgel litt immer mehr an Altersschwäche. Die Erkenntnis, welchen ungehobenen Schatz man hier vor sich hatte, machten eine Restauration und Rekonstruierung im Sinne der Denkmalpflege erforderlich. Durch die Überzeugungsarbeit und das Engagement von Herrn Klaus Kemp wurde die Finanzierung der Wiederherstellung der Orgel im alten barocken Glanz sichergestellt. Gutachten von Orgelsachverständigen und Denkmalpflegern gaben die Richtlinien, nach denen der Auftrag an den Orgelbaumeister Hubert Fasen - http://www.orgelbau-fasen.de - aus Oberbettingen vergeben wurde.
Die Orgel wurde komplett zerlegt, inventarisiert und in der Werkstatt Schritt für Schritt wieder aufgebaut. Anhand von drei vorhandenen Originalregistern ließen sich die ursprünglichen Mensuren herleiten. Aufgrund der Bohrungen auf der Windlade konnte die ursprüngliche Disposition ermittelt werden. Reste der Registerschildchen stützten den Befund. Ein Großteil des Pfeifenwerkes mußte anhand der erhaltenen Pfeifen rekonstruiert werden. Die Pedallade von 1868 wurde als historisch gewachsene Substanz betrachtet und beibehalten.
Besonders arbeitsintensiv war die Intonation der über siebenhundert Pfeifen, die - anders als bei modernen Orgeln - eine eigene "Temperatur" (modifiziert mitteltönig) mit besonders wohlklingenden Quinten und Terzen erhielten, so daß Tonarten mit wenigen Vorzeichen besonders rein klingen. Diese Temperatur konnte anhand der Principalpfeifen im "Gesicht" der Orgel gewonnen werden. Die Disposition und die Temperatur ermöglichen besonders die Darstellung französischer und süddeutscher Barockliteratur in authentischer Weise. Die Vervollständigung und Vergoldung des schönen Schnitzwerkes am Orgelprospekt hat der Bildhauer Christoph Fischbach mit großem künstlerischen Können ausgeführt.
Die Balthasar-König-Orgel ist nun wieder klingendes und sichtbares Zeugnis einer Kulturlandschaft, die lange Zeit zu Unrecht als preußisches Sibirien angesehen wurde. Diese - sowie die ebenfalls von Hubert Fasen restaurierte und rekonstruierte König-Orgel von 1738 in Beilstein an der Mosel sind die einzigen Instrumente dieses berühmten Orgelbauers, die heute wieder mit der originalen - mitteltönigen - Temperatur und Stimmung der Erbauungszeit zu hören sind.
Auf Initiative des Wahl-Eifelers Klaus Kemp ist eine Konzertreihe entstanden, die Zuhörer von weither anlockt. Die Konzerte haben überregionale Bedeutung, denn Kemp ist es mit Hilfe von Sponsoren gelungen, die renommiertesten Interpreten zu verpflichten. Besucher aus Köln und Frankfurt, Aachen und Düsseldorf kommen zu den Konzerten in die Eifel, um sich die einzigartigen Darbietungen hochkarätiger Künstler nicht entgehen zu lassen.
Klangfarbenzauber in Niederehe _ Ausschnitte eines Konzertes mit Prof. Johannes Geffert an der ‘Kleinen Königin‘ mit großem Klang
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