Die Restaurierung der Orgel (aus Ars Organi 08/03)
Das wohl bedeutendste Instrument aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Thüringen südlich des Rennsteigs finden wir in Suhl. Der aus der Grafschaft Oldenburg, dem späteren Großherzogtum, stammende Eilertus Köhler (um 17101751) errichtete in der Kreuzkirche eine große zweimanualige Orgel, wie ein von ihm geschriebener Zettel in einer Pedalwindlade bezeugt. Wie es zu diesem Auftrag kam, ist bislang nicht geklärt.
Köhlers genaues Geburtsdatum ist bis heute nicht bekannt, auch lässt sich sein Tod nur auf einen Monat (März oder April) genau angeben. Gleiches gilt auch für seinen beruflichen Werdegang. Mit Sicherheit kann jedoch davon ausgegangen werden, dass Köhler aus der norddeutschen Orgelbautradition kam und somit der Schnitgerschen Orgelbauschule zuzuordnen ist. Ein direkter Schüler Arp Schnitgers (16481713) kann er nicht gewesen sein, da Schnitger bereits verstorben war, als Köhler in die Lehre kam.
Nach der Fertigstellung der Orgel in Suhl erhielt Köhler 1741 ein Privileg für die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst und war bis zu seinem Tod wieder in seiner Heimat tätig mit Wohnsitz in der Stadt Oldenburg.
Aus der Bauzeit der Orgel gibt es keine Aufzeichnung der Disposition, aber es existieren zwei Aufzeichnungen aus späterer Zeit. Wann es zu ersten Veränderungen der Orgel gekommen ist, konnte bislang nicht genau ermittelt werden. Mit Sicherheit kann die Abgabe der Prospektpfeifen für das Jahr 1917 angenommen werden. Alle drei Prospektregister fielen dem Ersten Weltkrieg zum Opfer und nicht nur diese. Eineinhalb Oktaven der Quintaden 16' aus dem Hauptwerk wurden ebenfalls für Kriegszwecke eingezogen. Diese ersetzte man 1928 durch Zinkpfeifen. Bei diesen Arbeiten dürften dann auch weitere Veränderungen an der Disposition vorgenommen worden sein.
Für die Rekonstruktion der Prospektregister standen keine Innenpfeifen zur Verfügung. Einziger Anhaltspunkt waren die aus der Bauzeit stammenden Prospektraster, die Rückschlüsse auf die Mensurierung ermöglichten. Diese Pfeifen wurden aus nach oben ausgedünntem englischen Zinn ohne Stimmrollen angefertigt. Vorhandene Stimmrollen im übrigen Pfeifenwerk wurden wieder aufgerollt und verlötet. Von der Gamba 8' aus dem Hauptwerk standen noch drei Pfeifen zur Verfügung. Sie reichten für eine Rekonstruktion aus. Ihre Bauweise ist leicht trichterförmig. Die Legierung des Metalls wurde entsprechend den originalen Pfeifen festgelegt. Salicional 4' wurde durch Anlängen wieder zur Floit travers 8', ebenso die Blockflöte 4' zur Quinta 6'. Floit douce 4' wurde im Hauptwerk aufgestellt.
Die Zinkpfeifen der Quintaden 16' wurden durch Pfeifen aus Metall in der entsprechenden Legierung ersetzt. Die Mixtur 6fach als ein Sammelsurium vieler verschiedener Pfeifen ohne Köhler-Bestand konnte nicht übernommen werden. In der Zusammensetzung fehlte auch der Terzchor. Anhand der noch vorhandenen Rasterbretter konnte die Zusammensetzung der Mixtur wie auch ihre Mensur (entsprechend der Octave 2') rekonstruiert werden.
Als Anhaltspunkte für die Rekonstruktion der Zungenstimmen dienten eine Sammlung von norddeutschen Zungenmensuren, die Zungenregister der Orgel in Dedesdorf und vorhandene Stiefelreste in den Windladenstöcken.
Die Register Dulcian 16' und Hoboe 8' sind durch die Aufzeichnungen Johann Veit Dölls belegt. Der Dulcian 16' wurde zylindrisch mit halber Becherlänge gebaut.
Für das Oberwerk galt es 13 Holzpfeifen der Hohlfloit 8' zu rekonstruieren. Der zugesetzte Chor in der dreifachen Zymbel wurde entfernt und das Register wieder als Tertian 2fach hergerichtet. Das aufgebänkte Echo Cornett ab c1 wurde nicht übernommen und aus den fragmentarisch erhaltenen Rasterbrettern die Mensur für den solistischen 1 Fuß rekonstruiert. Auch hier wurden die Zungenstimmen nach Dölls Angaben als Trompete 8' und Vox humana 8' rekonstruiert.
Nach Auswertung aller Fakten und Erkenntnisse wurde die Rekonstruktion des Subbass 16' aus Metall beschlossen und ausgeführt. Eindeutige Beweise für oder gegen einen Subbass aus Metall konnten freilich nicht erbracht werden. In nord- und in süddeutschen Orgeln hat diese Bauweise durchaus Anwendung gefunden. Lange Zeit offen blieb die Verwendung der beiden 8' Register. Da alle offenen Holzpfeifen verkürzt worden waren, war eine eindeutige Zuordnung nicht möglich. Auch die Mensuranalyse brachte nur zutage, dass es sich um ein weites und ein enges 8'-Register handelte. Das weitere Register ließ sich als Teil eines schlanken Principal 16' deuten. Die Dispositionsaufzeichnung Dölls berechtigte dazu, den Principalbass 8' als Quinta 12' zu verwenden und auf die nötige Körperlänge zu verlängern. Die Hohlflöte 4' im Pedal stammt aus der Bauzeit und wurde nie verändert. Für die Posaune 16' konnten Aussparungen im Balkenwerk festgestellt werden, die Holzbecher für dieses Register belegten. Die Beschriftung einer Anhängeleiste im Pedal Fagot 16' bezeugte ein zweites Zungenregister als schlanken 16' mit Metallbechern. Sowohl die Abmessungen der Zungenstiefel als auch die vorhandene Anhängung wiesen auf eine dritte Zungenstimme hin, ein 8' Register, das als Trompete ausgeführt wurde. Alle Zungenstimmen wurden nach norddeutschem Vorbild ausgeführt mit eingesetzten Holzstiefeln und Messingkehlen in Holzköpfen. Die Kehlen der tiefen Register erhielten Zinnauflagen.
Die Veränderungen im technischen Bereich der Orgel sind erheblich gewesen. Mit der Umsetzung einzelner Register und der Dispositionsveränderung war auch die Spielanlage stark verändert worden. An Stelle prachtvoller Registerknöpfe mit einer passenden Registerbezeichnung waren schlanke zierliche Zugstangen und kleinere Registerknöpfe mit Porzellanschildern in verschiedenfarbiger Beschriftung getreten. Die Registerstaffelei mit quadratischen Öffnungen für die Zugstangen wurde dabei durch solche für runde Zugstangen überdeckt. Beim Abnehmen dieser Verblendung konnte kein Hinweis auf eine Registerbeschriftung auf der Staffelei gefunden werden. Der Untergrund deutete auf eine polierte Fläche hin. So galt es, Registerknöpfe zu entwickeln, die der Größe der Zugstangen entsprechen und die einzelnen Registerbezeichnungen in gut leserlicher Form aufnehmen konnten. Es wurde eine Form ausgewählt, die in Thüringen des öfteren verwendet worden ist. In der Front befindet sich der Registername mit der Fußbezeichnung, als Zusatz darüber eine kleine Ordnungszahl. Die Registerbeschriftungen wurden auf Pergament geschrieben, sepia in gotischer Schrift und hinter Glas.
Neue Manualklaviaturen mit schmalen und niedrigeren Klaviaturwangen, ein neues Pedalklavier und eine neue Orgelbank hatten die Spielanlage weiter verändert. Pedalklavier und Orgelbank aus der Bauzeit waren allerdings erhalten geblieben; sie wurden restauriert und wieder eingebaut. Die Manualklaviaturen wurden unter Verwendung des Oldenburger Zollmaßes rekonstruiert. Die Klaviaturtafeln wurden aus Eiche angefertigt, die Untertasten mit Bein und die Obertasten mit Ebenholz belegt. Die Klaviaturwangen erhielten im Sichtbereich eine Furnierschicht mit einer Schelllackpolitur. Auch der herausnehmbare Einsatz, der zu einer späteren Zeit mit einem moderneren Klarlack überzogen worden war und viele Löcher aufwies, konnte restauriert und neu poliert werden. Anhand der Einschubleisten in der Orgelbank konnte das Notenpult rekonstruiert werden, weil es nach Gebrauch unter der Sitzfläche der Orgelbank aufbewahrt wird, um die Gesamtansicht der Spielanlage nicht zu stören, und die dafür nötigen Einschubleisten erhalten geblieben sind.
Als Totalverlust muss die Balganlage aufgeführt werden.Erhalten geblieben waren zwei Auflagebalken an einer Wand für den Balgstuhl und eine sehr desolate Balgplatte, die als Grundplatte für einen Doppelfaltenbalg diente. Diese beiden Anhaltspunke und fünf Durchbrüche in der Kirchendecke machten es möglich, die Keilbalganlage zu rekonstruieren und die Position der Bälge zu bestimmen.
Lange beschäftigte alle Beteiligten die Intonation, die Tonhöhe und die Stimmung der Orgel. Nur vereinzelt wiesen Metallpfeifen ältere Kernstiche auf. Sie wurden bei der Restaurierung zunächst belassen. Zu unserem Erstaunen stellten wir bei der Intonation vor Ort fest, dass es nur geringfügiger Korrekturen an Windbahn und Kern bedurfte um das alte Pfeifenwerk zu einem guten Klang zu bringen.
Weitere Informatonen zu der Restaurierung sind in der Ars Organi Ausgabe 03/2008 zu finden. Autor des dortigen Artikels, dessen Teile wir mit freundlicher Genehmigung der Alexander Schuke Potsdam-Orgelbau GmbH entnommen und hier verwendet haben, ist Klaus-Michael Schreiber, Orgelrestaurator der Firma Alexander Schuke Potsdam Orgelbau GmbH.
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