Konzeption
Die Orgel in der NAK Lindau ist eine historische englische Orgel. Nach den ursprünglichen Angaben aus England wurde sie ca. 1885 von George Benson erbaut, der aber erst 1861 geboren wurde und ab etwa 1881 in Manchester nachweisbar ist, ab ca. 1885 als eigenständiger Orgelbauer (?). Beim Abbau und der Sichtung des Materials kamen Zweifel auf, englische Fachleute datieren das Instrument jetzt auf ca. 1870 und weisen es der Werkstatt Henry Willis zu. Die Orgel wurde für eine unbekannte Kirche gebaut und ca. 1926 durch Rushworth & Dreaper in Millbrook aufgebaut, sie stand bis zu ihrem Abbau in der Methodist Church in Millbrook (Greater Manchester), Grenville Street, im wesentlichen unverändert. Die Pedalklaviatur könnte aus dem Neuaufbau durch Rushworth & Dreaper stammen, ebenso Veränderungen am Tremulanten und der Einbau eines elektrischen Gebläses nebst dem Rückbau der Schöpfanlage. 2008 wurde sie von Orgelbau Oppel, Schmallenberg abgebaut, restauriert und 2011 in Lindau aufgebaut. Damit ist sie nach bisherigem Kenntnisstand die älteste Orgel in einer neuapostolischen Kirche weltweit, ebenso wäre sie, wenn sich die Vermutung auf Willis als Erbauer erhärten läßt, vermutlich die einzige Henry Willis-Orgel in Deutschland, soweit bekannt.
Die Prospektpfeifen aus spotted metall (= Naturguß) waren verschiedentlich farblich gefaßt. Als unterste Farbschicht wurde eine Goldbronzierung festgestellt, die wiederhergestellt wurde. Das Gehäuse war farblich gefaßt, auch diese dunkle Farbfassung wurde erneuert.
Die Mechanik und Windladen waren weitgehend original erhalten. In die Mechanik wurde zur Sicherung der gottesdienstlichen Verwendung eine Oktavkoppel I/I eingebaut. Die Tasten haben noch den originalen Belag aus Elfenbein. Alle Tasten wurden überarbeitet, der Belag neu fixiert.
Das Pfeifenwerk war original erhalten, so konnte behutsam eine Intonation wiederhergestellt werden, die möglichst der originalen Klanggestaltung nahe kommt. Des weiteren wurden die Maße aller Pfeifen abgenommen, um weitere Forschungen über das Instrument und für Neubauten zu ermöglichen.
Der Open Diapason ist nach englischer Bauweise der tragende Klang der Orgel, alle übrigen Stimmen sind eher Farben dazu. Als Besonderheit weist das Great zwei Streicher als leisere Register auf, die durch eine Flöte 4 erweitert werden. Die Dulciana ist mit sehr leisem Ton und reichem Obertongehalt eine weiche und doch tragfähige Grundstimme, sie kann auch Begleitungsfunktion übernehmen. Die Gamba dagegen besitzt kräftigen Strich. Die Wald Flute 4' ist eine offene Holzflöte, die zu beiden Streichern gezogen werden kann. Das Gemshorn 4' vertritt in zylindrischer Bauweise die Stelle des Principal oder Octave 4'.
Das Swell wird durch einen Tritt zum Einhaken (2 Positionen) geöffnet. Der sehr feine Gesamtklang dieses Swell erinnert stark an Orgeln für Privathäuser. Der Violin Diapason ist hier Klanggrundlage mit deutlich geringerem Strich als die Gamba, der Stopped Diapason ist eher als Lieblich Gedeckt sanft und doch ausreichend füllend ausgelegt. Die Harmonic Flute ist die kräftige überblasende Flöte der Orgel, Piccolo 2' ist dezente Klangkrone. Die Oboe 8 ist eine stimmstabile und sich in den Gesamtklang rund einschmiegende Zunge. Die Baßoktave wurde, da nicht ausgebaut, als weitere Besonderheit der Orgel mit "Zachariaspfeifen" mit gewendeter Zunge ergänzt.
Original vorhanden sind vier feste Kombinationen, die auf das Great und das Swell wirken und per Fußtritt geschaltet werden können, der erste von links nach rechts schaltet Violin Diapason und Stopped Diapason, der zweite das Volle Werk im Swell (alle Register), der dritte Gamba und Dulciana im Great, der vierte schaltete ursprünglich das Tutti des Great. Zur Sicherung des Windverbrauchs mit der neuen Octavkoppel wurden Dulciana und Wald Flute aus diesem Kombinationstritt entfernt.
Da alle Pfeifen Stimmringe besaßen, konnte keine Temperatur rekonstruiert werden. Daher wurde die Stimmung genommen, die an der englischen Orgel in der NAK Sontheim rekonstruiert werden konnte und in etwa der Temperatur Janke 4 entspricht.
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