Die Orgel
Wer die Bundesstraße 4 in Richtung Coburg befährt, übersieht leicht das kleine Dorf Lahm. Allenfalls nimmt man beim Vorbeifahren noch die Anlage des ehemaligen Schlosses mit seiner stattlichen Kirche wahr.
Die kreuzförmig angelegte Schlosskirche im französischen Barockstil wird bei aller calvinistischen Strenge von einer prachtvollen Orgel beherrscht.
Als der kunstsinnige Freiherr Adam Heinrich Gottlob von Lichtenstein zu Lahm im Jahr 1715 die Tochter des auf Schloss Erxleben bei Magdeburg residierenden Gebhardt Johann von Alvensleben ehelichte, hörte der Freiherr wohl zum ersten Mal ein Orgelwerk der Orgelbauerfamilie Herbst. Das Instrument auf Erxleben wurde von Heinrich Herbst jun. 1690 erbaut, der das Orgelbauerhandwerk von seinem Vater Heinrich übernommen hatte. 1712 erhielt Herbst den Auftrag zum Neubau der Domorgel zu Halberstadt, den er 1718 mit seinem Sohn Heinrich Gottlieb vollendete.
Mit dem seit 1718 als Cantor im Dienst des Freiherrn von Lichtenstein stehenden Johann Lorenz Bach war die protestantische, mitteldeutsche Musiktradition durch die musikalische Ausbildung Johann Lorenz' bei seinem Onkel Johann Sebastian Bach bereits in Lahm beheimatet. 1732 wurde die Kirche eingeweiht, die neue Orgel erklang unter den Händen von Johann Lorenz Bach nach den Registrieranweisungen des Freiherrn. |
Die Disposition
Das mächtige Instrument mit seinen 29 Registern auf drei Werken beeindruckt schon rein äußerlich durch die beiden vorgezogenen Pedaltürme:
Hauptwerk |
Oberwerk (Hinterwerk) |
Pedal (Pedaltürme) |
Quintatön 16' |
Quinta Thöne 8' |
Violon-Bass 16' |
Principal 8' |
Gems Horn 8' |
Principal 8' |
Viola di Gamba 8' |
Praestanda 4' |
Octave 4' |
Getact 8' |
Flaut-Traversiere 4' |
Mixtur 5fach |
Quinta 6' |
Waldflöte 2' |
Posaunen-Bass 16' |
Octav 4' |
Sexquialtera 2fach |
Trompete 8' |
Flaut-Douce 4' |
Cymbel 3fach |
(Rückwand) |
Nassat 3' |
Vox humana 8'
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Sub-Bass 16' |
Super-Octav 2' |
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Posaunen-Bass 32' |
Mixtur 4fach |
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Quint-grosso 12' |
Trompet 8' |
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Getact 8' |
2 Cymbelsterne, Geschwinder / Langsamer Tremulant, Koppel OW/HW
In der Lahmer Orgel finden sich eine Reihe von Registern, denen Johann Sebastian Bachs Vorliebe galt: Quinta Thöne 16' und 8', Viola di Gamba 8', Sexquialtera, Posaunen-Bass 32`, 16' u. a. Jedoch gibt es keinerlei Hinweise oder Belege, dass Joh. Seb. Bach auf die Planung und Ausführung der Orgel unmittelbar eingewirkt oder das Instrument j e gesehen oder gespielt hat. Es kann angenommen werden, dass er in seinem Schüler Erfahrungen und Vorlieben weitergegeben hat, die vielleicht in diesen Orgelbau eingeflossen sind.
Die Orgel der Lahmer Schlosskirche ist das einzige fast original erhaltene Werk der mitteldeutschen Orgelbauerfamilie Herbst. In der Konzeption und Ausführung des Instruments findet Heinrich Gottlieb Herbst zum handwerklichen und künstlerischen Höhepunkt seines Schaffens. So zählt die Lahmer Herbst-Orgel zu den kostbarsten Orgelwerken mitteldeutscher Prägung im europäischen Kulturraum. |