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Die Orgel in St. Martin Bamberg

Die Orgel der Bamberger St. Martins-Kirche
Disposition der Steinmeyer-Orgel

Die Orgel der Bamberger St. Martins-Kirche (Steinmeyer 1894, No. 510, II/38)

Als die 1686-1693 von Georg und Leonhard Dientzenhofer erbaute Jesuitenkirche „Namen Jesu“ im Zuge der Säkularisation 1804 zur Pfarrkirche St. Martin wurde (die alte gotische Martinskirche auf dem heutigen Maximiliansplatz wurde dafür 1805 abgerissen), „migrierte“ neben Hochaltarbild, Marienaltar, Glocken, Paramenten usw. auch die Orgel der „Unteren Pfarre“ in das neue geistliche Domizil in der Inselstadt. Der Transfer des erst 1776 von Johann Michael Schott II. gebauten Instruments zeitigte jedoch eine Vielzahl von Reparaturen und „Verbesserungen“ vor allem im technischen Bereich (sechs Orgelbauer gaben sich die Klinke in die Hand), so dass die Gemeinde 1892 genug hatte. „Durchaus ruinös, stört den Gottesdienst“ war ein Urteil, mit dem man einem neuen Instrument einer bereits international renommierten Orgelbaufirma Platz machen konnte. Georg Friedrich Steinmeyer aus Oettingen wurde beauftragt, eine nach dem aktuellsten Stand der Technik und der klanglichen Gestaltung konzipierte Orgel zu bauen. Auf zwei Manualen und Pedal erklangen (und erklingen) 38 Register. Kegelladen waren das Non plus ultra, allerdings setzte sich die Pfarrgemeinde, beraten durch eher konservative Sachverständige, mit der Forderung einer „klassischen“ mechanischen Spieltraktur gegen Steinmeyer durch, der gerade sukzessive zur Pneumatik überging und schon mehrere „Hybrid-Orgeln“ (etwa mit mechanisch angespielten Manualen und pneumatisch angespieltem Pedal) gebaut hatte.

Zur Erleichterung der Spielart baute er in St. Martin für die Manuale sogenannte Barkermaschinen, die den mechanischen Spielimpuls über ein System von Bälgen an die weitere Mechanik weitergaben. So konnte die Spielart wesentlich erleichtert werden: Der Spieler hat das „Feeling“ einer leichtgängigen mechanischen Traktur, die Luft hilft ihm, die vielen Kegelventile zu bewegen. Dieses „Servosystem“ wurde bei der Rückführung der Orgel 1999-2000 rekonstruiert, eine originale Barkermaschine aus St. Martin ist heute noch im Orgelmuseum der G.F. Steinmeyer Vermögensverwaltung zu sehen. Die Registertraktur war pneumatisch, was die Anlage von Abstellern für jedes Register („Negativkombination“) und festen Kombinationen nach dynamischen Stärkegraden (von pp bis ff) ermöglichte.

Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurde der Klang der Orgel als zu grundtönig und „in den Raum knallend“ empfunden, erst 1934 kam es im Zuge der Neubesetzung der Kirchenmusikerstelle zu einem erweiternden und elektrifizierenden Umbau. Als „herausragendes Denkmal deutscher Orgelbaukunst“ wurde eine wieder mit den modernsten Errungenschaften ausgestattete Orgel geschaffen. Steinmeyer erweiterte die Tonumfänge, packte in das davor (und heute wieder) übersichtliche und zur Wartung und Stimmung gut zugängliche Werk Zusatzwindladen und neue Register, stellte einen opulent ausgestatteten dreimanualigen fahrbaren Spieltisch auf und baute in die Emporennische ein drittes schwellbares Manual als „Barockwerk“. Insgesamt erhielt die Orgel durch den mit ziemlicher Eile vorgenommenen Umbau 56 Register. Die Probleme, die sich durch die gleichzeitige Verwendung zweier Ladensysteme und der „Konkurrenz“ zweier Raumklimata in der Folge ergaben, auch durch die Unzugänglichkeit im historischen Orgelgehäuse, filene zu Beginn nicht so ins Gewicht.

Der neu berufene, 30 Jahre alte Organist und Chorregent Max Hellmuth, in der knappen freien Zeit mit einer Dissertation über Valentin Rathgeber beschäftigt, entfaltete ein reiches kirchenmusikalisches Leben und präsentierte in „kirchenmusikalischen Weihestunden“ (Konzerte durften sie nicht heißen) eine Fülle auch zeitgenössischer Orgelliteratur. Seine bevorzugte Orgelbaufirma war jedoch nicht Steinmeyer, sondern, besonders nach einem Zerwürfnis mit der Oettinger Firma, die Gebr. Hindelang im allgäuischen Ebenhofen. Ihr verdankte die angeblich zu schwach klingende Orgel eine neue Pedalwindlade und den Austausch von Registern. Auch beschaffte Hindelang eine neue durchschlagende Clarinette – die originale war unter Steinmeyer einer Oboe gewichen.

Nach der zweiten Reinigung und Renovierung 1985 war klar, dass die Zukunft der Orgel nicht mehr in kurzfristigen Maßnahmen und immer häufigeren „Feuerwehraktionen“ bestehen konnte. Verschiedenen kontrovers diskutierten Neu- und Umbauplänen trat, begünstigt durch zwei externe Gutachten, vermehrt die Option eines Rückbaus entgegen, da man sich bewusst wurde, die letzte größere Orgel aus dem Spätwerk des Firmengründers Georg Friedrich Steinmeyer vor sich zu haben, die noch dazu einen hohen Anteil an Originalsubstanz aufwies.
1998 war es dann soweit: Die Firma Hermann Eule, Bautzen, erhielt den Auftrag zur Restaurierung und Rückführung der Orgel auf den Zustand von 1894, einschließlich sogar der Balgbetätigung durch zwei Schwungräder. Einziges Zugeständnis an die heutige Liturgie- und Konzertpraxis war eine Setzeranlage mit 4 x 64 Kombinationen, wobei die Magnete im Spieltisch in die pneumatische Registertraktur eingreifen.
Der Spieltisch des „dreimanualigen Intermezzos“ wurde aufbewahrt und steht in der Sammlung des Orgelzentrums Valley.

Seit 2013 findet an und mit der Steinmeyer-Orgel eine internationale Konzertreihe mit neun frühabendlichen Konzerten statt, wodurch die St. Martins-Kirche als zentraler Sakralbau der Innenstadt auch zu einem musikalischen Begegnungspunkt wurde.

Seit 2016 verfügt die Kirche aufgrund einer Schenkung auch über eine vierregistrige Truhenorgel der Firma Hey (Urspringen/Rhön) von 2004, die als Continuoinstrument bei Konzerten unter der Kuppel und im Chorraum sowie bei schwächer frequentierten Gottesdienstformen eingesetzt wird.

Die Steinmeyer-Orgel hat folgende Register:

I. Manual C-f‘‘‘ II. Manual C-f‘‘‘ Pedal C-d‘
Principal 16‘ Still-Gedeckt 16‘ Principalbaß 16‘
Bourdon 16‘ Geigen-Principal 8‘ Violon 16‘
Principal 8‘ Dolce 8‘ Subbaß 16‘
Viola di Gamba 8‘ Aeoline 8‘ Gedecktbaß 16‘
Salicional 8‘ Bourdonalflöte 8‘ Quintbaß 10 2/3‘
Gemshorn 8‘ Lieblich Gedeckt 8‘ Octavbaß 8‘
Tibia 8‘ Principal 4‘ Violoncello 8‘
Gedeckt 8‘ Fugara 4‘ Flötbaß 4‘
Quintflöte 5 1/3‘ Traversflöte 4‘ Posaune 16‘
Octav 4‘ Piccolo 2‘  
Dolce 4‘ Mixtur 2 2/3‘ [3fach]  
Rohrflöte 4‘ Clarinett 8‘  
Quinte 2 2/3‘    
Octav 2‘    
Cornett 8‘ [3-5fach]    
Mixtur 4‘ [5fach]    
Trompete 8‘    

Manual-Copula / Ped. Copula z.I.M. / Ped. Copula z.II.M.

5 feste Kombinationen [Tritte]
Setzeranlage mit 4 x 64 Kombinationen [3 Gruppen mit Schlüsselschalter]



Kegelladen, mechanische Spieltraktur mit Barkerhebeln für die Manuale, pneumatische Registertraktur



Die Truhenorgel

erbaut von Hey-Orgelbau 2004

Manual C-f3
Gedackt 8’
Rohrflöte 4’
Prinzipal 2’
Quinte 1,1/3’ (Diskant ab c1)

Betreuung durch OBM Gunnar Schmid, Kaufbeuren


mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Theißen
Fotos: Ulrich Theißen
OI-B-157 - letzte Bearbeitung: 10.10.2024
weiterführende Links:

Buch: "Königin der Vielfalt" - Gegenwart und Geschichte der Bamberger Orgeln (Ulrich Theißen)
Webseite St. Martin Bamberg